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„Wir können uns nur entschuldigen“
Mannheim. Hinter Thorsten Storm liegen anstrengende Monate. Der Manager des Handball-Bundesligisten Rhein-Neckar Löwen musste mit ansehen, wie seine Mannschaft die direkte Qualifikation für die Champions League verspielte. Dazu gab es reichlich Wirbel um den Aufsichtsratsvorsitzenden Jesper Nielsen. Im Interview spricht Storm über die Saison 2010/2011.
Herr Storm, die Löwen beenden die Saison nur als Vierter. Das kann nicht der Anspruch sein, oder?
Thorsten Storm: Nein, das ist nicht unser Anspruch. Wir sind besser besetzt als die Mannschaft der Berliner Füchse, weshalb wir Dritter hätten werden müssen. Wir sind andererseits aber auch noch ein Stück vom Niveau des THW Kiel und des HSV Hamburg entfernt, das hat diese Saison gezeigt. Trotzdem sage ich, dass sich unser Team weiterentwickelt hat, denn sonst hätte es nicht in Kiel gewonnen und wäre auch nicht beim Final Four der Champions League dabei gewesen.
Trotzdem schließt Berlin die Saison vor den Löwen ab.
Storm: Der dritte Rang der Füchse ist kein Weltwunder, auch wenn mein Kollege Bob Hanning stets die öffentliche Meinung so vertritt. Die Berliner gehören auch unter die ersten Vier bis Fünf in Deutschland. Jetzt sind die Füchse Dritter geworden. Aber das liegt an uns, weil wir in der Liga zu oft geschwächelt und im Gegensatz zu den Berlinern in der Champions League viel Kraft gelassen haben.
War es falsch, sich so früh in der Saison von Trainer Ola Lindgren zu trennen?
Storm: Diese Trennung war von unserem Haupt-Geldgeber Jesper Nielsen zu diesem Zeitpunkt gewollt. Die Frage ist aber nicht zu beantworten. Mit dem Trainerwechsel hin zu Gudmundur Gudmundsson hatte ich allerdings die Hoffnung, dass jetzt endlich Kontinuität bei diesem Verein einzieht. So hatte es Jesper Nielsen allen Spielern und Fans dann ja auch versprochen, doch genau das Gegenteil ist leider passiert. Wir können uns bei den Anhängern und allen Partnern für die ständige Unruhe nur entschuldigen.
Wo sehen Sie die zentralen Probleme in der Mannschaft?
Storm: Wir haben zu wenige komplette Spieler. Wir haben zu viele Jungs, die nicht in der Abwehr spielen können, weshalb wir zu häufig wechseln müssen. Insgesamt muss man konstatieren, dass die Mannschaft nicht optimal zusammengestellt ist. Ein Punkt ist auch, dass man in diesem Zusammenhang die schwere Augenverletzung von Karol Bielecki nicht vergessen darf. Es ist fast ein Wunder, dass er zurückgekommen ist, aber es hat die Gesamtsituation gerade in der Abwehr natürlich nicht einfacher gemacht.
Wenn Sie sagen, die Mannschaft sei falsch zusammengestellt, meinen Sie damit nur Jesper Nielsen, der viele seiner Wunschspieler praktisch im Alleingang verpflichtete?
Storm: Darum geht es hier nicht. Gute Spieler alleine machen es nicht aus, sie müssen auch als Kollektiv sportlich zusammenpassen und vor allen Dingen komplette Profis sein, also in Abwehr und Angriff spielen können. Es ist nicht alles optimal gelaufen, aber das klären wir intern.
Jesper Nielsen hat vor dieser Saison stets davon gesprochen, dass die Löwen die weltbeste Mannschaft werden sollen.
Storm: Das hat er gesagt. Zunächst hat diese Aussage aber leider nur unsere Gegner „heißer“ gegen uns gemacht und nicht das eigene Team gestärkt. Unsere Mannschaft hat mit diesem Druck weniger umgehen können. Man muss auf dem Weg nach vorn gerade nach außen immer bescheiden bleiben und hart arbeiten. Titel sind in der Bundesliga, in der Champions League und im DHB-Pokal keine Selbstverständlichkeit wie vielleicht in anderen europäischen Ligen und Wettbewerben. Wir müssen jedoch endlich lernen, ständig und auf Knopfdruck ein Mindestniveau zu spielen – gerade gegen die „kleinen Gegner“. Dafür muss diese Mannschaft auch die entsprechenden Führungsspieler haben. Da hapert es noch. Wenn wir in Kiel gewinnen, bedeutet das einen Ausreißer nach oben und keine Normalität. Dann hat an diesem Tag alles geklappt und auch der Gegner mitgespielt. Bei uns stimmt der Spannungsbogen aber leider nicht immer – und das geht nicht.
Welches Zeugnis stellen Sie Trainer Gudmundur Gudmundsson aus?
Storm: Er hat sich nach der Trennung von Lindgren kurzfristig der Verantwortung gestellt und uns geholfen. Sein Ehrgeiz ist riesengroß. Jetzt müssen wir zusammen Führungsspieler entwickeln, die diese Mentalität ins Team hereintragen. Schon Gudmundurs Einstand beim Sieg in Barcelona hat seine große Stärke gezeigt: die Taktik. Er ist ein akribischer Arbeiter, einer der ganz großen Analysten dieser Sportart.
Müssen die Löwen nun kleinere Brötchen backen? Jesper Nielsen will sich fortan mehr auf AG Kopenhagen konzentrieren.
Storm: Er hat seine persönlichen und langfristig angelegten Ziele bei den Löwen geändert. Wir befinden uns in keiner einfachen Situation, denn es gibt klare, langfristige Verträge mit wirtschaftlichem Hintergrund. Aber Jesper Nielsen hat bislang bei seinem finanziellen Engagement immer zu dem gestanden, was er zugesagt hat. Ich gehe davon aus, dass er das auch in Zukunft machen wird. Schließlich sind viele Spielerverträge erst aufgrund von Jesper Nielsens Engagement und seinen Zusagen zustande gekommen.
Von Marc Stevermüer
06.06.2011