Veröffentlichung:

„Wir machen einen Schritt nach dem anderen“

Spielmacher Andy Schmid vor dem EHF-Cup-Start der Löwen im Interview

Andy Schmid gibt bei den Rhein-Neckar Löwen den Takt vor. Der Schweizer Nationalspieler spricht im Interview über den erfolgreichen Saisonstart der Gelbhemden und die internationalen Ambitionen. Am Samstag starten die Badener in den EHF-Cup. Im Hinspiel der dritten Runde steht den Löwen der griechische Meister  A.C. Diomidis Argous gegenüber. Anwurf in der Mannheimer GBG-Halle ist um 19 Uhr, die Halle öffnet um 18 Uhr. Es sind noch Tickets an der Abendkasse erhältlich.

Andy, während der THW Kiel, die Füchse Berlin, der HSV Hamburg und die SG Flensburg-Handewitt schon in der Champions League am Ball waren, startet ihr erst jetzt in den EHF-Cup und musstet die Partien der Königsklasse vor dem Fernseher verfolgen. Wie weh tat das?

ANDY SCHMID: Grundsätzlich will natürlich jeder Handballer in der Champions League dabei sein. Erst recht, wenn er schon einmal da mitgespielt hat. Andererseits müssen wir mit Blick auf die Bundesliga ganz klar sagen, dass es uns in dieser Saison bislang in die Karten gespielt hat, dass wir nicht in der Königsklasse vertreten sind. Anfang November war ein Großteil unserer Mannschaft bei den Nationalteams, dann standen die zwei extrem anstrengenden und vor allem richtungsweisenden Partien beim VfL Gummersbach und beim HSV Hamburg innerhalb weniger Tage an. Wir waren schon froh, dass wir danach eine Woche Pause hatten, um Körper und Geist wieder auf die nächste Aufgabe vorzubereiten.

Die ihr dann gegen Berlin auch bravourös gelöst habt.

Aber auch da half es uns sicherlich ein wenig, dass die Füchse zwei Tage zuvor noch ein extrem anstrengendes Spiel in der Champions League gegen Zagreb hatten.

Das Fehlen in der Königsklasse kann also auch ein Vorteil sein.

SCHMID: Zumindest gilt das für uns. Wir konnten uns bislang voll und ganz auf die Liga konzentrieren, die anderen Topklubs dagegen nicht. Die physische und psychische Belastung war einfach noch nicht so groß wie bei den anderen Spitzenmannschaften. Als wir gegen Flensburg gewannen, war der Gegner zwei Tage vorher noch auswärts in der Champions League bei Partizan Belgrad auf der Platte gestanden. Und die vielen Verletzten des HSV Hamburg sind bei den vielen Spielen und Strapazen in der Königsklasse sicherlich kein Zufall.

Jetzt geht es auch für euch auf europäischer Ebene los. Freust Du Dich darauf?

SCHMID:  Ja klar, der EHF-Cup wurde mit der Gruppenphase, dem Final Four am Ende und der Zusammenlegung mit dem Europapokal der Pokalsieger aufgewertet. Unser erstes Ziel ist es, die Hürde A.C. Diomidis Argous zu überspringen und die Gruppenphase zu erreichen.

Was ist für euch möglich auf der europäischen Bühne?

SCHMID: Außer Frage steht, dass wir zu den Titelanwärtern in diesem Wettbewerb gehören. Dessen sind wir uns auch bewusst. Aber wir bleiben bescheiden, denn gerade wir wissen aus der Vergangenheit, wie schnell es auch wieder nach unten gehen kann. Wir machen einen Schritt nach dem anderen und denken nicht zu weit.

Ein Grund für diese Denkweise dürfte auch das Halbfinal-Aus im EHF-Cup in der vergangenen Saison gegen Frisch Auf Göppingen gewesen sein. Wie präsent ist dieses Negativerlebnis noch?

SCHMID: Der K.o. so kurz vor dem Finale war einer der bittersten Momente bei den Löwen in den zurückliegenden Monaten und die größte Enttäuschung der vergangenen Saison. Aber ehrlich gesagt habe ich das längst vergessen. Wir haben unsere Lehren daraus gezogen. Zum Beispiel, dass wir uns nur noch auf die nächste Aufgabe konzentrieren.

Und die heißt Diomidis Argous. Mit welcher Zielsetzung geht ihr in das Hinspiel?

SCHMID: Wir sind der Favorit, wollen ein gutes Ergebnis vorlegen und uns ein Polster erarbeiten, denn im Rückspiel wird uns sicherlich eine hitzige Atmosphäre erwarten. Doch auch in der Mannheimer GBG Halle war die Stimmung in der vergangenen Saison immer richtig gut. Es hat Spaß gemacht, dort zu spielen.

Und doch dürfte im Hinterkopf schon der Bundesliga-Knaller gegen den THW Kiel am Mittwoch herumschwirren, oder?

SCHMID: Wie gesagt: Den großen Fehler, immer zu sehr vorauszudenken, haben wir in den vergangenen Jahren oft genug gemacht. Unser Trainer Gudmundur Gudmundsson macht das richtig gut. Er schärft unsere Sinne, dass wir uns immer nur auf das nächste Spiel konzentrieren. Aber natürlich freuen wir uns auf Kiel, weil wir gegen Berlin, Hamburg und Flensburg gesehen haben, dass wir mit den Topklubs mithalten können. Wir spielen zurzeit wirklich gut und wollen uns nun endlich mit der besten Mannschaft der Welt messen. Unsere Konzentration gilt jedoch zunächst einmal Diomidis Argous.

Du spielst bislang eine überragende Bundesligasaison, die Fans loben Dich: Wie erklärst Du Deine Leistungen?

SCHMID: Erst einmal bereitet es mir Freude, dass die Leute Spaß an meinem Spiel haben. Dass es so gut bei mir läuft, liegt aber nicht nur an mir, sondern vor allem auch an meinen Nebenleuten. Alexander Petersson und Kim Ekdahl du Rietz suchen zum Beispiel eher die spielerischen Lösungen, das kommt mir entgegen. Grundsätzlich gilt, dass bei uns in kritischen Phasen immer ein anderer die Verantwortung übernehmen kann. Oder gegen Berlin kam dann Gedeón Guardiola von der Bank und hat uns geholfen, weil es bei Bjarte Myrhol nicht so gut lief. Das macht uns so stark.

Dich zeichnet Dein Mut zum Risiko aus, Trainer Gudmundsson lobt aber auch Deine taktische Disziplin. Hast Du Dein Spiel ein wenig verändert?

SCHMID: Ohne Taktik gibt es keinen Erfolg. Schön spielen und verlieren finde ich ehrlich gesagt nicht so toll. Ich versuche meine Lockerheit beizubehalten, habe in den zurückliegenden Monaten aber auch gelernt, dass ich mich taktisch auf die Spiele besser vorbereiten muss, um dann im Ernstfall alles abrufen zu können. Ich gehe mit einem anderen Selbstverständnis auf den Platz. Und wenn das Selbstvertrauen da ist, fällt es einem einfach, auch einmal einen Fehler wegzustecken.

Beim Auswärtssieg in Gummersbach hast Du alle drei Strafwürfe verwandelt, nachdem Uwe Gensheimer und Zarko Sesum gescheitert waren. Bist Du der eigentliche Siebenmeter-König der Löwen?

SCHMID (lacht): Nein, nein, ich habe da schon mein ganzes Wurfrepertoire gezeigt. In unserer Mannschaft gibt es Jungs, die können das viel besser ich.

Die Bundesliga war Dein Traumziel. Eine WM oder EM zu spielen hast Du mit der Schweizer Nationalmannschaft aber noch nicht erreicht. Schon einmal daran gedacht, die Nationalität zu wechseln? Im Handball ist das ja nicht unüblich.

SCHMID: Jeder muss selbst wissen, was er tut. Aber für mich kommt das auf gar keinen Fall infrage. Ich bin in der Schweiz geboren, stolz auf mein Heimatland und muss mit der Konsequenz leben, nicht jedes Jahr bei einem großen Turnier dabei zu sein. Trotzdem hoffe ich, dass wir irgendwann einmal die Überraschung schaffen.