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„Wir sind bereit, das zu investieren“

Mikael Appelgren im Interview

Am kommenden Mittwoch treffen die Rhein-Neckar Löwen in der VELUX EHF Champions League (18:30 Uhr / Fraport Arena Frankfurt) auf den schwedischen Meister IFK Kristianstad. Vor dem Duell mit seinen Landsleuten äußert sich Mikael Appelgren im Interview.

Mikael, die Rhein-Neckar Löwen scheinen jedes Jahr ihren Schweden-Anteil um einen Spieler zu erhöhen. Kim Ekdahl du Rietz ist seit 2012 da, im vergangenen Jahr kamst du aus Melsungen, nun kam Andreas Palicka dazu. Das kann so weitergehen, oder?

Mikael Appelgren: Von mir aus natürlich schon. In erster Linie sollen die Löwen zwar gute Handballer holen, aber da das die Schweden ja sowieso sind, können wir hier sicher noch ein paar Landsleute von mir gebrauchen. Das passt schon (lacht).

Aber im Ernst: Hilft es, wenn man im Ausland Landsleute im Team hat oder ist das angesichts der inzwischen internationalen Liga egal?

Appelgren: Wenn man irgendwo neu ist, hilft das schon ungemein. Als ich damals nach Melsungen kam, waren gleich vier Schweden bei der MT und da hat man es schon leichter. Gerade was die Sprache betrifft, können einem die Kollegen, die schon länger da sind, gleich helfen. Aber nach einer gewissen Zeit steht das dann nicht mehr im Vordergrund – auch wenn es Spaß macht, sich ab und zu mal auch in seiner Muttersprache unterhalten zu können.

Mit Andreas kam ja aber nicht nur ein Schwede, sondern auch ein Torwart-Kollege. Du musstest dich im Vorjahr gleich auf drei Keeper neben dir einstellen. Wie wichtig ist es, dass man einen Kollegen verlässlich neben sich hat?

Appelgren: Das ist sehr wichtig, auch wenn das im Vorjahr dann doch hingehauen hat und wir den Meister-Titel geholt haben. Aber generell ist es natürlich besser, wenn es auf dieser Position etwas ruhiger zugeht und man bei aller Konkurrenz ein richtiges Team bilden und sich gegenseitig auch unterstützen kann.

Wie würdest du euch als Typen beschreiben? Gibt es wesentliche Unterschiede in eurem Torhüterspiel, mit denen ihr euch ergänzen könnt?

Appelgren: Da gibt es schon ein paar Unterschiede. Palle ist ein sehr schneller Torwart, der gerne nach vorne geht, ich bin vielleicht der Typ, der eher ein bisschen abwartet. Das kann beides seine Vorteile haben und im Endeffekt ist es natürlich gut, wenn sich auch der Gegner immer wieder neu einstellen muss. Ich glaube, wir können uns da gut ergänzen.

In der Nationalmannschaft hast du zuletzt ein Gespann mit Mattias Andersson gebildet. Olympia in Rio hätte allerdings besser laufen können. Wie fällt dein Fazit aus?

Appelgren: Das war natürlich schon enttäuschend. Wir konnten nur das Platzierungsspiel um Rang elf für uns entscheiden, und ich persönlich hatte ebenfalls auf etwas mehr Spielanteile gehofft. Aber das gilt es schnell abzuhaken. Deshalb war ich froh, dass es bei den Löwen gleich wieder voll zur Sache ging.

Was nimmst du sonst von den Olympischen Spielen mit, an denen du zum ersten Mal teilnehmen konntest?

Appelgren: Da bleiben natürlich Eindrücke. Wenn dir im Olympischen Dorf Usain Bolt oder andere Größen entgegenkommen, ist das natürlich schon so ein Wow-Effekt. Olympia ist eine ganz besondere Veranstaltung und während des Turniers hatten wir auch Gelegenheit ein bisschen was von Rio zu sehen.

Bei den Löwen hat dich jetzt wieder der Alltag eingeholt. Termine in der Bundesliga jagen Verpflichtungen in der Champions League. Wie geht ihr vor allem in der Liga damit um, jetzt die Gejagten zu sein? Ist es etwas anderes den Titel verteidigen zu wollen?

Appelgren: Ja natürlich. Es ist ein anderer Druck, aber ich glaube ,wir können damit umgehen. Und wir wissen jetzt, wie man den Titel holt und was es kostet. Wir sind wieder bereit, das zu investieren.

Wie schätzt du die Chancen in der Liga ein? Können die Löwen es nochmal schaffen?

Appelgren: Natürlich haben auch andere Teams dieses Ziel, aber wenn wir von Verletzungen verschont bleiben, kann es klappen.

In der Champions League waren die Leistungen in den vergangenen beiden Spielzeiten immer etwas schwankend und jeweils im Achtelfinale Endstation? Würdest du trotz der Doppelbelastung in diesem Jahr gerne länger dabei sein?

Appelgren: Im vergangenen Jahr hatten wir das Potenzial für das Viertelfinale und vielleicht sogar für das Final Four, aber zuhause gegen Zagreb haben wir einen richtig schlechten Tag erwischt. Das soll uns in diesem Jahr nicht noch einmal passieren.

Ihr habt in den ersten beiden Champions-League-Spielen fast durchgängig mit einem siebten Feldspieler agiert. Was hältst du von der neuen Regel und wie verändert sie das Torhüterspiel?

Appelgren: Der siebte Feldspieler gibt einem schon einen Vorteil, vor allem weil wir über Spieler wie etwa Andy Schmid verfügen, die ein Auge für den freien Mann haben. Wir Torhüter müssen uns da aber auch umstellen. Wenn du immer zur Bank und zurück sprintest, merkst du das plötzlich in der letzten Viertelstunde.

Wirkt sich das auch auf das Training aus?

Appelgren: Wir müssen tatsächlich mehr auf das Lauftraining achten, Sprints üben. Lange durchatmen kann jetzt keiner mehr, wenn die eigene Mannschaft im Angriff ist. Aber so bleiben wir schlank (lacht).

Dein Schwerpunkt liegt natürlich auf der Bundesliga, aber geht der Blick ab und zu doch in die Heimat? Bist du auf dem Laufenden, was die „Elitserien“ betrifft?

Appelgren: Ich bin schon ein kleiner Handball-Nerd und versuche, immer möglich viel zu sehen und auch zu schauen, wer es von den jungen Spielern schaffen kann. Deshalb habe ich auch immer ein Auge auf die Liga in Schweden.

Euer kommender Gegner IFK Kristianstad hat nun zweimal in Folge die schwedische Meisterschaft geholt und ist zum zweiten Mal in der Königsklasse euer Gegner. Ist das die Mannschaft, die man auch zukünftig auf der Rechnung haben muss?

Appelgren: Ja, IFK hat mit Abstand das größte Potenzial, und die Halle ist immer mit fast 5000 Zuschauern gefüllt. Da sind höchstens noch Alingsås oder Savehof in Reichweite, aber Kristianstad wird sich in der Champions League etablieren und wieder für Überraschungen sorgen – nur bitte nicht gegen uns. Die Niederlage im vergangenen Jahr reicht. Wir müssen ihnen klar machen, dass das eine einmalige Angelegenheit war.

IFK-Trainer Ola Lindgren war bis Olympia auch im Trainerstab der Nationalmannschaft, konzentriert sich jetzt aber ganz auf seine Aufgaben im Verein. Ola kennt deine Stärken und Schwächen ganz genau. Macht dir das Sorgen?

Appelgren (lacht): Nein, weil auch ich weiß, was für einen Handball er spielen lässt und wie er dem Gegner beikommen will. Das wird sich also ausgleichen.

Gibt es eigentlich Dinge aus Schweden, auf die du auch in Deutschland nicht verzichten kannst?

Appelgren: Am Anfang musste ich mich schon ein bisschen in den Supermärkten zurechtfinden, aber da bin ich mittlerweile wohl ziemlich deutsch geworden. Und wenn ich etwas wie zum Beispiel den schwedischen Kaviar vermisse, gibt es immer noch Ikea (lacht).

Kannst du dir vorstellen, vielleicht am Ende deiner Karriere wieder in der Heimat zu spielen?

Appelgren: Bis dahin ist hoffentlich noch viel Zeit und ich bin eigentlich so ehrgeizig, dass ich immer am obersten Level spielen möchte. Das soll jetzt nicht überheblich klingen, aber da ist das Leistungsgefälle in der schwedischen Liga doch etwas größer als zum Beispiel in der Bundesliga. Aber wer weiß schon,
was in ein paar Jahren ist.