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„Zweiter bin ich oft genug geworden“

Handball: Snorri Gudjónsson feiert beim 29:23-Sieg über N-Lübbecke sein Debüt im Trikot der Rhein-Neckar Löwen / Morgen Topspiel beim THW Kiel

Mannheim. Aufmerksam verfolgte Snorri Gudjónsson das Geschehen auf dem Spielfeld. Der Isländer saß auf der Bank, bedeckte seine Beine mit einem Handtuch und schaute sich an, wie der Ball durch die Reihen der Rhein-Neckar Löwen zirkulierte. „Ich muss schnell die Spielzüge lernen“, sagte der 27-Jährige nach dem 29:23 (15:14)-Sieg des Handball-Bundesligisten über TuS N-Lübbecke. Am Freitag hatte der Neuzugang zum ersten Mal überhaupt mit den Gelbhemden trainiert.

„Es ging alles sehr, sehr schnell“, berichtete Gudjónsson. Noch am Morgen verabschiedete er sich in Dänemark von seinen ehemaligen Kollegen bei GOG Svendborg TGI, am Nachmittag schwebte der Blitzeinkauf per Flugzeug zusammen mit Löwen-Gesellschafter Jesper Nielsen in Speyer ein. Keine 24 Stunden später stand der Saisonstart an. Und schon morgen (20.15 Uhr) steigt das Topspiel beim THW Kiel.

Echter Regisseur

Gegen TuS N-Lübbecke wechselte Gudjónsson neun Minuten vor dem Schlusspfiff von der Beobachter- in die Spielmacherrolle. Nur wenige Augenblicke später erzielte er sein erstes Tor. „Es war schön, dass ich eingesetzt wurde. Meinen Platz im Team muss ich aber erst noch finden“, sagte die neue Nummer 10 der Löwen. Auch Trainer Ola Lindgren betonte, dass man (vorerst) keine Wunderdinge erwarten dürfe. „Wir müssen ihm Zeit geben“, sagte der Coach: „Aber ich bin optimistisch. Snorri verfügt über eine gute Passqualität und versteht unsere Spielidee.“

Schon bald soll der Isländer seinen Landsmann Gudjon Valur Sigurdsson mehr als nur zehn Minuten entlasten. Von Gudjónsson wird erwartet, dass auch er zum dynamischen Denker und Lenker des Löwen-Ensembles wird. Passen, dribbeln, dirigieren – das sind seine Aufgaben. Der Neuzugang traut sich diese Rolle zu. „Ich bin keiner, der zehn Tore wirft. Aber dafür hat man mich auch nicht geholt. Ich setzte meine Mitspieler ein“, sagte der Rechtshänder, der seine neue Aufgabe selbstbewusst angeht: „Mein Vertrag läuft zwar nur bis zum Saisonende. Aber ich habe es selbst in der Hand, länger zu bleiben. Es war immer ein Traum von mir, bei einem großen Verein zu spielen.“ Keine Frage: Gudjónsson sieht in seinem Engagement bei den Badenern eine Chance. Der Isländer will sie nutzen.

Schon einmal spielte er in der Bundesliga, von 2003 bis 2005 stand der 1,86-Meter-Mann beim TV Großwallstadt unter Vertrag. Es folgten zwei Jahre bei GWD Minden, ehe er sich Svendborg anschloss. Doch warum verließ der Rückraumspieler die deutsche Eliteklasse? „In Dänemark hatte ich die Chance, bei einem Spitzenklub um Titel zu kämpfen. Deshalb bin ich gegangen“, berichtete Gudjónsson, der jedoch nicht die erhofften Trophäen gewann.

In der dänischen Liga reichte es einmal zu Platz zwei, im Pokal verlor Svendborg zwei Mal das Finale. Und dann unterlag der Isländer auch noch mit der Nationalmannschaft im Endspiel bei den Olympischen Spielen in Peking gegen Frankreich: „Zweiter bin ich oft genug geworden. Jetzt will ich endlich einmal ganz oben stehen – und zwar mit den Löwen.“

Gudjónsson möchte dazu so viel wie nur eben möglich beitragen. Einer schnellen Integration steht auf jeden Fall kaum etwas im Weg. Seine Deutschkenntnisse sind gut, die Bundesliga kennt er. Mit Ólafur Stefánsson und Sigurdsson stehen zudem zwei Landsleute im Kader. „Das ist natürlich ein enormer Vorteil“, sagte der 27-Jährige, der zurzeit noch bei Familie Sigurdsson wohnt: „Ich möchte aber so schnell wie möglich eine eigene Wohnung, damit ich meine Freundin und mein Kind wieder bei mir habe.“ Der anstehende Umzug soll dann erst einmal der letzte sein. Dafür will Gudjónsson alles tun. Er ist schließlich gekommen, um zu bleiben.

Von Marc Stevermüer